Das Kreuz mit dem C

Sollte die CDU das C hinter sich lassen?

Foto: Lange/CDU
Foto: Lange/CDU

Nach den Schrecken der Naziherrschaft kam es bereits 1945 zu ersten Gründungen der Christlich Demokratischen Union; auf dem ersten Bundesparteitag 1950 wurde schließlich die Bundespartei aus der Taufe gehoben. Vor dem Hintergrund der Naziherrschaft waren unterschiedliche Aspekte handlungsleitend: Bewusst entschied man sich für die Bezeichnung „Union“ und nicht etwa „Partei“, der politische Gegensatz der konfessionellen Lager am Ende der Weimarer Republik sollte überwunden werden, da sich der Konservatismus durch sein Agieren zwischen 1919 und 1945 in Teilen selbst diskreditiert hatte, verstand man sich zudem als Kraft der Mitte und nicht als dezidiert konservative politische Gruppierung und mit der Betonung des „christlichen Menschenbildes“, gleichsam als verbindendes Element, sollte neben der Einigung der Konfessionen auch ein bewusster Kontrapunkt zum nationalsozialistischen Menschenbild gesetzt werden. Soweit, so bekannt; wenn auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Auch wenn die beiden großen christlichen Konfessionen anfangs nicht unerheblichen Einfluss auf die CDU und ihre Politik hatten, bisweilen sogar Wahlkampf von der Kanzel herab für sie betrieben, war sie nie die „Christenunion“, als die sie der SPIEGEL noch heute gern etwas verkürzend und zuspitzend bezeichnet. Politik aus den 10 Geboten heraus zu betreiben, war nie das erklärte Ziel der Union. Wohl aber sollte die Verpflichtung auf das christliche Menschenbild die Partei, je länger, desto mehr, anschlussfähig machen – auch und gerade für Konfessionslose oder Angehörige anderer Konfessionen.
Nun hat der Historiker und Gründer der liberal-konservativen „Denkfabrik 21“ Andreas Rödder, der zuletzt die Diskussion um das „C“ im Parteinamen wieder anregte, sicher recht in seiner Beurteilung, die Säkularisierung der Bundesrepublik sei seit 1950 immer stärker vorangeschritten. Auch die Zusammensetzung der bundesrepublikanischen Bevölkerung insgesamt, ist heute sicher einer andere als vor 72 Jahren. Ist damit das „C“ tatsächlich obsolet? Ist es gar zu einer schier unüberwindlichen Hemmschwelle geworden, mit der wir uns quasi selbst im Wege stehen?

Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Nicht nur lassen erste wissenschaftliche Untersuchungen den Schluss zu, dass es, entgegen einer weiteren Annahme Rödders, gerade die Bezugnahme auf etwas Außerweltliches und Überzeitliches ist, das uns für muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger anschlussfähig macht. Vielmehr haben die „hohe Auffassung des Christentums von der Menschenwürde, vom Wert jedes einzelnen Menschen als Grundlage und Richtschnur (…) im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben“, was sich unter anderem im „Recht auf politische und religiöse Freiheit“, in „Rechtssicherheit für jeden“, in freier Betätigung von Frauen und im Schutz von Minderheiten niederschlagen sollte, wie es bereits im Neheim-Hüstener Programm von 1946 heißt, von ihrer Aktualität verloren. Damit bleibt das „C“ so etwas wie der Glutkern der Union; Anspruch, Mahnung und Maßstab politischen Handelns zugleich – man könnte auch sagen: Der Stachel im Fleisch.

Das christliche Menschenbild erinnert uns stets: Der Mensch ist fehlbar

Unser politisches System, hier vor allem die Art und Weise der Entscheidungsfindung, dient neben dem Ausgleich unterschiedlicher Interessen der Entschleunigung. Entscheidungen sollen eben nicht aus dem Affekt heraus und emotionsgeladen getroffen werden. (In einer, dank der sozialen Medien übermäßig affektgesteuerten Zeit ein gar nicht hoch genug zu veranschlagendes Ansinnen.) Auch hier ist der Kern im christlichen Menschenbild zu suchen, das eben darum weiß, dass Menschen und damit auch ihre Hervorbringungen fehlbar sind, keiner im Besitz der absoluten Wahrheit ist und dass Politik, als die Regelung menschlichen Zusammenlebens, immer nur von den vorletzten Dingen handeln kann.

So mag denn das Wissen darum, wo viele unserer gemeinsamen Werte ihren Ursprung haben und wie sie Eingang in unsere politische Ordnung gefunden haben, tatsächlich abnehmen. Ihre Bedeutung und ihre Verteidigungswürdigkeit schmälert das in keiner Weise und es ist gut, dass wir als CDU uns weiterhin dazu bekennen – auch und gerade durch unseren Namen.

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